Die Parteihochschule der SED -

ein kritischer Rückblick

 

Leseprobe aus

 

Georg Ebert

  

Die Arbeitsgruppe bzw. der Lehrstuhl Politische Ökonomie des Sozialismus an der Parteihochschule „Karl Marx” in den 60er und 70er Jahren

Meine Ausführungen sind ein Versuch, die oft trügerischen und lückenhaften Erinnerungen mittels archivierter Unterlagen zu korrigieren und zu füllen. Deshalb habe ich ganz bewusst den zeitaufwendigen Weg einer Erschließung von Unterlagen der Parteihochschule in der „Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv” gewählt. Meinem „Forscherdrang” wurden allerdings Grenzen gesetzt, da die Materialien vorerst nur bis zum Jahre 1971 zugänglich sind. Darüber hinaus habe ich wichtige Publikationen des Lehrstuhls aus dieser Zeit zu Rate gezogen. Tatsächlich konnte ich manches entdecken, was meiner Erinnerung nach fast 40 Jahren entfallen war und das Umfeld unserer Tätigkeit beleuchtet.  

Die Stellung der Parteihochschule als Teil des Apparats der Parteiführung prägte unverwechselbar ihre Lehr- und Forschungstätigkeit, die Auswahl der Lehrer und Studenten und die Prinzipien, nach denen sie geleitet wurde. Konflikte, in die manche Lehrer, aber auch Studenten gerieten, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse, die Theorie und die Linie der Partei nicht vereinbar schienen, sind zu einem erheblichen Teil dieser Tatsache geschuldet. Die enge Verbindung mit der Wirtschaftspolitik, die in ihren Grundzügen stets von der Parteiführung der SED formuliert und bestimmt wurde, galt als Markenzeichen des Unterrichts, der Forschung und Publikation auf dem Gebiet der Politischen Ökonomie des Sozialismus. Daraus ergab sich für die Arbeitsgruppe bzw. den Lehrstuhl die Konsequenz, stets schnell und deutlich sichtbar auf die Parteibeschlüsse und innerparteiliche Auseinandersetzungen zu reagieren. 

In einer Konzeption zum ökonomischen Unterricht an der Parteihochschule vom 2.März 1964 werden diese Forderungen mit Nachdruck hervorgehoben:

„Die falsche und schematische Trennung von Politischer Ökonomie des Sozialismus und Wirtschaftspolitik der Partei, wie sie Stalin empfohlen hatte, wurde mit Hilfe des Genossen Ulbricht gegen die dogmatische Auffassung des damaligen Sekretärs für Propaganda Fred Oelßner, auf der Parteihochschule lange vor dem XX. Parteitag (der KPdSU, G.E.) aufgrund eines Beschlusses des Sekretariat des ZK überwunden.

Zum Unterschied von anderen Hochschulen und Parteischulen der sozialistischen Länder (einschließlich Moskau) wird bei uns die Politische Ökonomie des Sozialismus nicht in einem Lehrstuhl – mit Politische Ökonomie des Kapitalismus – gelehrt.

Die anfänglich völlige Zusammenlegung des theoretischen Lehrfachs Politische Ökonomie des Sozialismus mit dem Lehrfach Wirtschaftspolitik hat sich als unzweckmäßig erwiesen, da dadurch die theoretisch-grundsätzliche Seite unserer Wirtschaftspolitik verloren ging und es bestand die Gefahr, daß die Studenten die Wirtschaftspolitik unserer Partei als etwas Zufälliges, Pragmatisches auffassen würden. Daher haben wir vor 2 Jahren einen selbständigen Lehrstuhl Politische Ökonomie des Sozialismus gebildet. Das bot uns die Möglichkeit, die theoretischen Probleme des sozialistischen Aufbaus nicht nur in engster Verbindung mit den praktischen Problemen, sondern auf der Grundlage der Beschlüsse der Partei zu lehren.”[1]

Zu den konzeptionellen Grundgedanken gehörte, ausgehend von den Beschlüssen des VI. Parteitages im Januar 1963 über das Neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖS), dem 5. Plenum und dem „Artikel des Genossen Walter Ulbricht in der ‚Prawda‘, die eine Weiterentwicklung der politischen Ökonomie darstellen,... den gesamten (!G.E.) Unterricht der Ökonomie neu zu überlegen und die Lehrpläne neu zu formulieren.”[2]

Insbesondere ging es darum, die Politische Ökonomie nicht als zeitlose und abstrakte Kategorienlehre oder als Gesetzesmechanismus zu vermitteln, sondern in ihrer Anwendung auf die Entwicklungsprozesse „unserer nationalen Wirtschaft” darzustellen, wobei das Studium des „Kapital” eine wesentliche Grundlage für die Aneignung theoretischer Erkenntnisse bildete. Insgesamt erhöhte sich nach dem VI. Parteitag der Anteil des ökonomischen Unterrichts an der Ausbildung. Er betrug ca.60 Prozent des Unterrichts in einem Dreijahrlehrgang der Parteihochschule und wurde unter dem obengenannten Aspekt qualitativ verbessert.


[1] SAPMO – BArch, DY30/IV A2/9.09/255

[2] SAPMO – BArch, DY30/IVA2/9.09/255