Die Parteihochschule der SED - ein kritischer Rückblick |
Leseprobe aus
Günter
Durak, Heinz
Über den genossenschaftlichen Weg der Bauern zu einer modernen Landwirtschaft
Die Agrartheorie, wie wir sie gelehrt haben - die Dialektik zwischen Stadt/Land und zwischen Industrie und Landwirtschaft - hat sich vollauf bestätigt und bestätigt sich weiter.
Das gilt auch für die zwei Wege, wie der nötige Strukturwandel in der Landwirtschaft zu bewältigen ist. Es war richtig, den in Westdeutschland beschrittenen Weg über den Familienbetrieb und unseren Weg der Überleitung der Bauern zur genossenschaftlich-sozialistischen Großproduktion als die wichtigsten, aber gegensätzlichen Wege zu moderner Produktion in der Landwirtschaft darzustellen.
Allerdings haben wir die Vor- und Nachteile dieser Wege, ihre volkswirtschaftlichen Wirkungen und besonders die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Bauern nicht allseitig ausgewogen dargelegt. Der (westdeutsche) Familienbetrieb war ja, so dachten wir damals zu Recht, nicht unser Problem. Daher blieben wir ihm gegenüber pauschal und stellten vorwiegend die negativen Seiten in den Vordergrund.
Richtig war, dass wir betonten, dass der Weg über den Familienbetrieb die Widersprüche zwischen den Möglichkeiten, die die modernen Produktivkräfte eröffnen, und den Begrenzungen, die die bäuerlichen Betriebe für ihren rationellen Einsatz bieten, nicht zu Ende löst. Unter "Familienbetrieb" war in der BRD-Terminologie ohnehin nur der Vollerwerbsfamilienbetrieb gemeint, dessen Grenzen sich fortlaufend nach oben verschoben. Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe waren damals ohnehin schon zu Zu- bzw. Nebenerwerbsbetrieben geworden. Diese aber blieben für die Agrarpolitik in der BRD sowieso außer Betracht.
Das Minimum an Produktionsmitteln (Boden, Wirtschaftsgebäude, Ausrüstungen - je nach Spezialisierung unterschiedlich), das notwendig ist, einer Bauernfamilie ein den anderen Wirtschaftszweigen vergleichbares Einkommen zu sichern, wächst mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt im Allgemeinen an. Im Großen und Ganzen können aber in der Landwirtschaft die einen Betriebe nur wachsen, wenn andere ausscheiden.
In der Realität aber werden massenhaft Betriebe noch als Vollerwerbsbetriebe weitergeführt, obwohl sie schon längst unter diese, sich ständig erhöhende Grenze gesunken sind. Sie bringen zwar nicht mehr das Vergleichseinkommen, aber der Bauer kämpft um seine ererbte Existenz oder er kann einfach nicht aufgeben, weil keine passenden Arbeitsstellen - gerade heute, in der Zeit der Massenarbeitslosigkeit - in seiner Nähe zu finden sind. Die Einkommensdisparität (das Hinterherhinken der Einkünfte der Bauern hinter denen vergleichbarer Berufsgruppen) wird daher zur Dauererscheinung, ebenso wie das zum Teil katastrophale Zurückbleiben der bäuerlichen Arbeits- und Lebensbedingungen.
Weil sich die Herausbildung von Betriebsgrößen, die den Erfordernissen von Wissenschaft, Technik und Technologie wenigstens einigermaßen entsprechen, nur über den Bauernruin und über die Betriebsaufgabe vieler vollziehen kann, bleibt auch der ländliche Strukturwandel eine Dauererscheinung.
Die Existenz der im Grunde kleinbäuerlichen Landwirtschaft hat sich inzwischen zu einem Hauptproblem in der EU ausgewachsen. Fast die Hälfte ihrer Finanzen wird noch immer zur Stützung der Landwirtschaft eingesetzt, was wiederum - wegen des unterschiedlichen Gewichts der Landwirtschaft in den einzelnen Ländern - Rivalitäten zwischen ihnen hervorbringt. Das macht deutlich, daß auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Strukturpolitik und über den Familienbetrieb in der EU noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.