Die Parteihochschule der SED - ein kritischer Rückblick |
Leseprobe aus
Fred Matho
Ware-Geld-Beziehungen und Wertgesetz im Sozialismus
Ein persönlicher Bericht
Was die Verbraucherpreise für die Bevölkerung betraf, galt ein
Grundsatz ihrer Stabilität für Waren und Leistungen des Grundbedarfs (nicht für
alle Verbraucherpreise). Dieser Grundsatz wurde damals auch letztlich von mir
vertreten. War es doch in gewisser Hinsicht eine große soziale Errungenschaft.
Nur sie wurde leider meist dogmatisch gehandhabt. Dabei standen weit unter dem
Wert liegende sehr niedrige, hochsubventionierte Preise für Lebensmittel sowie
Güter und Leistungen des täglichen Bedarfs (Verkehrstarife, Mieten u.a.m.) den
großenteils überhöhten Preisen für hochwertige Industriewaren gegenüber,
die sogenannte Akzisen zum Ausgleich für Subventionen beim Grundbedarf, aber
auch aus Gründen von Angebot und Nachfrage enthielten.
Die Güter und Leistungen des täglichen Bedarfs inklusive Verkehr,
Wohnen und Gesundheitswesen sollten für alle gut verfügbar sein, ein durchaus
löblicher Vorsatz, der aber zugleich vielfach zur Verschwendung anregte und
neben einer Reineinkommensumverteilung eine riesige Subventionswirtschaft aus
dem Staatshaushalt erforderte. Diese große Subventionswirtschaft engte
einerseits die Möglichkeit einer dringend notwendigen dynamischeren
Lohngestaltung als Leistungsanreiz ein. Andererseits wurden die Ressourcen für
Investitionen arg vermindert, wodurch die Produktionsanlagen in den Betrieben
oft übermäßig veraltet waren, so dass weltmarktfähige Erzeugnisse mit alten
Anlagen produziert werden mussten – eine große Leistung der Werktätigen,
aber ökonomisch nicht effizient - (siehe Beitrag „Zur Struktur und
Arbeitsweise des Lehrstuhls Ökonomik der Industrie“ von Achim Dippe und Karl
Hartmann).
Besonders unstimmig, z. T. widersinnig waren Teile des Agrarpreissystems
in das Gesamtsystem der Verbraucherpreise eingepasst. Für die Versorgung der
Bevölkerung war auch die Produktion von Kleinproduzenten erforderlich
(Genossenschaftsbauern aus ihrer persönlichen Wirtschaft, Kleingärtner,
Kleintierhalter). Um sie anzureizen, wurden ihnen Preise für ihre Produkte
gezahlt, die weit über dem lagen, was im Laden als (gestützter)
Endverbraucherpreis für dasselbe Produkt gezahlt werden musste.
So kam es, dass es für Kleintierhalter lohnend war, den (gestützten)
Preis für Brot, Graupen und andere Nährmittel zu bezahlen und diese Produkte
zu verfüttern, weil der Aufkaufpreis für Eier den Aufwand mehr als lohnte. Es
war auch günstiger, statt selbst aufgezogene Kaninchen unmittelbar auf den
eigenen Tisch zu bringen, sie an die Erfassungsbetriebe zu einem höheren Preis
zu verkaufen und sie dann zu einem billigeren Preis im Laden zu erstehen. Daraus
ließen sich sogar betrügerische Scheingeschäfte aufziehen.
Allein die Stabilität der Verbraucherpreise verschlang jährlich fast
ein Viertel des Staatshaushaltes. Die Subventionen stiegen in den zwanzig Jahren
nach 1970 auf das Sechsfache (ungefähr 50 Mrd. Mark der DDR jährlich). Die
wenigsten DDR-Bürger haben das richtig mitbekommen, sie dachten wohl, der
sozialistische Staat könne zaubern und schimpften oft noch feste über hohe
„Delikat- und Exquisitpreise“ für ausgewählte besonders hochwertige Waren.
Letzteres zum Teil wiederum verständlich bei den relativ niedrigen Löhnen im
Vergleich zur BRD, der ja von den Leuten angestellt wurde.
Das ganze Gefüge von Löhnen und Preisen stand sozusagen auf dem Kopf.
Und dabei erwies sich das gutgemeinte System der sogenannten „Zweiten Lohntüte“
(unentgeltliche staatliche Leistungen und Preissubventionen) als wenig
leistungsfördernd, weil als selbstverständlich angesehen, wie mir sehr viel in
Diskussionen mit Studenten und unter der Bevölkerung bestätigt wurde. Was man
nicht zu bezahlen braucht, wirkt eben viel weniger leistungsanregend als das
Mehr im Portemonnaie. Die ökonomischen Interessen der Menschen kann man nicht
befehlen. Soziale Errungenschaften dürfen weder leistungshemmend wirken noch in
den wirtschaftlichen Ruin führen, weil sie sich so letztlich selbst aufheben.
Damit soll natürlich nicht den fanatischen Sozialstaatsabbauern im heutigen
vereinigten Deutschland das Wort geredet werden, die selbst Verfassungsgebote
einfach relativieren und letztlich hinfällig machen.