Die Parteihochschule der SED -

ein kritischer Rückblick

 

Leseprobe aus

 

Heinrich Opitz

Ein Wendepunkt der philosophischen Lehrkonzeption in den 60er Jahren

Wer sich die Lehrpläne im Unterrichtsfach „Philosophie“ für einen Dreijahreslehrgang anschaut, wird unschwer feststellen können, dass bei allen thematischen Veränderungen seit 1953 – und es gab deren nicht wenige – die Grundstruktur, der systematische Aufbau und die Abfolge der zu behandelnden Komplexe gleich geblieben sind. Einem Lehrabschnitt zur „Einführung in die Spezifik des Studiums und die Geschichte der Philosophie“ folgte der Hauptabschnitt „Dialektischer Materialismus“ und danach kam der Hauptabschnitt „Historischer Materialismus“. Im Grunde folgten wir damit der Konzeption sowjetischer Lehrbücher über die marxistisch-leninistische Philosophie, die auf dem von Stalin redigierten „Kurzen Lehrgang“ der „Geschichte der KPdSU(B)“ Abschnitt 2 des IV. Kapitels: „Über dialektischen und historischen Materialismus“ beruhten. Und dennoch kam es in den 60er Jahren, den Inhalt der philosophischen Ausbildung betreffend, an der Parteihochschule „Karl Marx“ zu einer grundlegenden Korrektur dieser Lehrkonzeption, zu einem Wendepunkt in der philosophischen Ausbildung, der in den folgenden Jahren in der philosophischen Lehre und Publikation nachhaltig zur Geltung kam.

Allerdings geschah dies nicht konfliktlos, mitunter sogar quälend, inkonsequent, und wahrscheinlich waren wir uns anfänglich der ganzen Tragweite der vollzogenen Korrekturen nicht in jeder Hinsicht bewußt. Worum ging es? Im Kern handelte es sich darum, die Trennung und Entgegensetzung von dialektischem und historischem Materialismus zu überwinden und dem Entstehungsprozess des Marxschen philosophischen Denkens folgend, die Selbsterzeugung des Menschen durch die Arbeit in das Zentrum der philosophischen Lehre zu rücken. Wir fassten die Praxis als die zentrale Kategorie des marxistischen philosophischen Denkens, gewannen damit eine umfassende Sicht in das Verhältnis der Menschen zu den Gesetzen ihres eigenen Tuns und in die Dialektik des Objektiven und Subjektiven im gesellschaftlichen Entwicklungsprozess. Damit rückte, wie es Marx und Engels begründeten, der Mensch mit seinen vielfältigen Beziehungen zu der ihn umgebenden Welt in den Mittelpunkt der philosophischen Analyse und Beurteilung. Drei Dissertationen junger Nachwuchswissenschaftler des Lehrstuhls Philosophie schufen in den 60er Jahren die wissenschaftliche Grundlage für die Veränderungen der Lehrkonzeption und nachfolgender Publikationen. Das waren die Arbeiten über die Genesis des Marxschen Praxisbegriffs (H. Opitz,1965), über den objektiven Charakter gesellschaftlicher Gesetze (G. Koch,1966) und über die Objekt-Subjekt-Dialektik (H. Klotsch, 1966).