Die Parteihochschule der SED -

ein kritischer Rückblick

 

Leseprobe aus

 

Heinz Wachowitz, Achim Dippe, Günter Durak

 

Worin wir die Ursachen unseres Scheiterns sehen

Möglicherweise werden Betrachter in einigen Jahrhunderten, wenn die Welt im Sozialismus leben wird, unseren viel versprechenden Sozialismus-Beginn in historischem Rückblick doch als eine Art Frühsozialismus werten.

Sie könnten meinen, er sei an einer Art sich aus der Rückständigkeit der Verhältnisse ergebendem Dilemma zu Grunde gegangen: sein ökonomisches System ändern zu müssen, was nur durch Änderung seines politischen Systems möglich gewesen wäre, letzteres aber nicht ändern zu können, weil seine Ökonomie, verglichen mit der kapitalistischen Umwelt, dazu zu rückständig war.

Das würde zeigen, dass unser sozialistischer Aufbau (in rückständigen Ländern bei kapitalistischer Umkreisung durch hoch entwickelte Länder) zumindest in unserem Fall doch nicht ging – also eben doch nur eine Art „Frühsozialismus“ war. Wenn sich unser Versuch historisch gesehen doch als eine Art Frühsozialismus erweisen sollte, so heißt das aber noch lange nicht, dass er zu früh gekommener Sozialismus gewesen sei! Der Versuch war mehr als gerechtfertigt und voll zu bejahen. Zwei imperialistische Weltkriege mit all ihren katastrophalen Folgen hatte der Kapitalismus hervorgebracht!

Aber wesentliche Folgen der Entstehungs- und Existenzbedingungen dieses „Frühsozialismus“ waren die Unreife, Deformationen und teilweise Entartung auch vieler Züge seines politischen Systems. Das war vor allem der Notwendigkeit seiner Selbstbehauptung unter den widrigen Bedingungen des internationalen Klassenkampfes – gerade bei relativ schwacher Ökonomie – geschuldet. Vieles, was jetzt dem Sozialismus („als solchem“) angelastet wird, ist also vor allem durch die widrigen Umstände seiner Entstehung und Entwicklung verursacht.  

Mit unserem Scheitern wurde die einmalige Chance verpasst, dem wahrscheinlich möglichen Übergang zum Sozialismus in der Welt schon im 20. Jh. – noch dazu von einem zurückgebliebenen Land ausgehend – den Weg zu bahnen.

Eventuell gibt es mit China noch einmal eine ähnliche Chance für das 21./22. Jahrhundert. Dieses Land hat von seinem Umfang – Bevölkerung, Produktionsumfang, Binnenmarkt, internationales Gewicht – und seiner andersartigen Umwelt und Vergangenheit her vielleicht die Möglichkeit, bei Sicherung einer auf Sozialismus orientierten Staatsmacht über einen staatlich begrenzten und im Rahmen gehaltenen Kapitalismus in Hundert oder mehr Jahren zu beginnen, eine Art sozialistische Gesellschaft aufzubauen und damit der Welt eine erneute Chance zu eröffnen. Gegenwärtig vollzieht sich dort erst eine Art ursprünglicher Akkumulation unter der Obhut einer auf künftigen Sozialismus orientierten Staatsmacht, allerdings auf einem weit höheren wissenschaftlich-technischen Niveau…